Dienstag, 31. März 2009

Insel- versus Stadtleben

Stadtleben ist Luftverschmutzung, Lärm und Hektik und Verkehrsstaus.

Das Leben auf einer Insel in der karibischen See hingegen klingt wie das Paradies. Verlockend wie die Bacardireklame. Stets scheint die Sonne, man lümmelt den ganzen Tag am Strand herum, das Meer ist nicht weit und Sorgen hat man keine.

Nun, ganz so ist es nicht.

Das Klima ist, zumindest in den Wintermonaten, zweifelsohne dem des nordeuropäischen vorzuziehen. Der Strand und das Meer sind ebenfalls immer in erreichbarer Nähe. Allerdings sieht man selten Menschen dort, und das hat auch einen Grund. Sandfliegen. Kleine, fast unsichtbare Insekten, die Amerikaner nennen sie auch "noseeums", die gern stechen und juckende Pusteln hinterlassen. Die lästigen Insekten mögen vielleicht aber dafür Sorge tragen, dass die auf der Nordseite Guanajas liegenden, kilometerlangen weißen Sandstrände noch so unberührt sind.


Die Versorgung mit Lebensmitteln ist in der Stadt fantastisch. Man bekommt alles, was das Herz begehrt. Auf der Insel hingegen ist das Angebot- nun ja- nicht mehr als ausreichend und sicher verbesserungswürdig. Es wäre ein leichtes, eine lange Liste von Produkten, die ich vermisse, aufzustellen. Als Liebhaber von Käse befriedigt mich der cheddar und die äußerst geschmacksneutrale honduranische Antwort auf Mozzarella nicht. Andere Käsesorten gibt es nicht. Das Versorgungsschiff bringt einmal pro Woche Lebensmittel vom Festland, darunter auch Gemüse und Obst. Es empfiehlt sich, nach dessen Ankunft zum Einkaufen zu eilen, da die Frischwaren innerhalb weniger Stunden ausverkauft sind. Schafft man es an dem "Gemüsetag" nicht aufs "cay"(so der Name des Hauptdorfes), so isst man eine Woche lang Kartoffeln, Zwiebeln, Weißkohl oder/und Tomaten. Das fördert die Kreativität beim Kochen und Erfinden neuer Rezepte.
Joghurt ist nicht erhältlich, den machen wir selber. Kuchen - die nächste Bäckerei liegt irgendwo außerhalb der Landesgrenzen, also backen wir selber. Auch das Brot, da das Bimbo-Brot, wie der Name schon vermuten lässt, keine kulinarische Bereicherung ist und vielleicht zahnlosen Menschen Freude bereiten wird. Wir verbringen also viel mehr Zeit in der Küche als wir es in Deutschland tun.

Wer gern mal ein Stück Fleisch auf seinem Teller sieht, hat es hier ganz schwer. Es gibt Schweinefleisch, und wenn es auf der Insel gemästet wurde, ist es recht ordentlich. Die Hühner schmecken eigentlich nicht schlecht und ich versuche nicht darüber nachzudenken, wie sie aufgezogen worden sind. Der Kauf von Rindfleisch hingegen ist eine höchst komplizierte Angelegenheit. Es ist stets zäh, nein, superzäh. Offenbar hängt man das Fleisch hier nicht ab. Es empfiehlt sich die Zubereitung im Schnellkochtopf. Oftmals ist es auch schwierig, das Stück Fleisch zu identifizieren - ist es Steak, Schulter, Filet etc. Vor einiger Zeit öffnete ich in einem kleinen Lebensmittelgeschäft die große Gefriertruhe und fand dort eingefrorene Rindfleischstücke. Es waren Platten von ca. 5 cm Dicke und sie waren riesig groß. Man hatte die Kuh offenbar halbiert, eingefroren und danach mit einem Elektroschneider quer in 5 cm dünne Streifen geschnitten.
Vor dem gleichen Problem steht man allerdings auch, wenn auf dem cay ein Schwein verkauft wird. Mit der Machete wird es kreuz und quer in Pfundstücke gehackt, ohne Rücksicht auf anatomische Gegebenheiten. Tja.

Wer allerdings Fisch und Meeresfrüchte liebt, der wird glücklich. Fisch gibt es fast immer frisch zu kaufen, da kann auch der beste und teuerste Fischladen in Deutschland nicht mithalten. Man muß hier allerdings den ein oder anderen Fischer kennen. Da die Insel vom Shrimp-und Langustenfang lebt, sind auch diese stets erhältlich und von ausgesprochen guter Qualität.

Die tropischen Früchte schmecken hier besser als in Deutschland, da sie hier nicht unreif geerntet werden. Außerdem erfreuen wir uns mittlerweile an selbst angebauten Früchten wie beispielsweise Ananas, Mangos, Papaya, Bananen, Limonen und Orangen.

Die Auswahl an Restaurants ist -nicht nur im Vergleich zur großen Stadt- ebenfalls bescheiden. In unserer Nachbarschaft gibt es deftige und gute schwäbische Gerichte - ich möchte dabei nicht unerwähnt lassen, dass noch nie so viel Spätzle wie hier genossen habe. Die einheimische "island"-Küche bietet fritiertes Huhn oder Schweinefleisch, fritierte Kochbananen, Fisch, Shrimps und Conch. Conch ist eine große Meeresschnecke und muß mit viel Aufwand erst einmal platt geklopft werden, damit sie zart wird. Eine Spezialität ist die Conch-Suppe oder das "ceviche", ein Salat mit eingelegten conch. Zur typischen island-Küche gehört auch das sog. "hog-fry". Wird ein Schwein geschlachtet, so wird zunächst die Schwarte fritiert- heraus kommt das "chicharron" - eine knusprige, chipsartige Schweineschwarte. In dem verbleibenden Fett werden die Schweinestücke dann fritiert. Eine fettige, aber schmackhafte Sache.

Vom Essen zur Kultur. Das wird ein ganz kurzer Absatz, denn Kino, Musik, Theater, Literatur - alles nicht existent. Nun, nicht ganz. In unserer Stammbar treffen unregelmäßig einige der hier lebenden Ausländer und der ein oder andere "islander" zusammen, um Musik zu machen. Sind dann noch musikalische Segler oder andere Gäste anwesend, so kommt es zu interessanten "jam sessions".
Das Kulturangebot der großen Stadt hingegen ist eines der Dinge, auf die ich mich jährlich am meisten freue.

Die Hausarbeit, -instandhaltung und -reparatur ist ein zeitaufwändiges Unterfangen. Geht in der zivilisierten Welt im Haushalt etwas zu Bruch, funktioniert das Auto nicht - nun der nächste Handwerker oder Baumarkt sind nicht weit. Anders auf Guanaja - hier fängt man erst einmal selber an: Fehlersuche und Reparatur. Wird ein Ersatzteil benötigt, so kann man sicher sein, dass man es auf der Insel nicht findet. Dann braucht man Freunde, die für einen am Festland durch die Eisenwarenhandlungen danach fahnden oder man muß es im Ausland bestellen und herschicken lassen. Das ist kompliziert und dauert mindestens zwei Wochen.

Ein ganz heikles Thema ist die medizinische Versorgung. Auf dem cay gibt es das "centro salud", in dem fast immer ein Allgemeinmediziner zugegen ist. Die Ausrüstung bewegt sich auf dem Niveau eines "Erst-Hilfe-Kastens". Bei einem Notfall kann man nur hoffen, dass er zeitlich günstig liegt, dh. ca. eine Stunde vor Abflug eines Flugzeugs in Richtung Festland. Ansonsten hat man schlicht Pech gehabt.

Einer der größten Unterschiede zwischen Stadt-und Inselleben ist sicherlich unser Verhältnis zur Natur. In der Stadt weiss ich oftmals nicht, welche Mondphase wir gerade haben. Der Sternenhimmel ist kaum sichtbar angesichts der Lichtverschmutzung in der Stadt. Es ist dort nie wirklich dunkel. Die Natur hat in der Regel keinen Einfluß auf unsere Pläne. Regen und Wind halten einen nicht davon ab, mit dem Auto zu fahren.
Auf Guanaja fahren wir beispielsweise nicht auf die Nordseite zum Baden, wenn der Wind eben aus der Richtung bläst. Wir fahren nachts nur mit dem Boot, wenn der Mond die Umgebung ausreichend beleuchtet. Bei Neumond bleiben wir abends definitiv zuhause.
Außerdem sind wir eigentlich immer draußen, auch wenn wir im Haus sind. Die Häuser haben keine Glasfenster, sondern lediglich Holzlamellen, durch die stets der Wind durchziehen kann. Man hat nie das Gefühl, in einem geschlossenen Raum zu sein. Zurück in Berlin ist es eine der größten Umstellungen - das Leben drinnen - als schlösse man die Natur aus. Das löst zunächst klaustrophobische Gefühle aus, aber nur für kurze Zeit. Dann liebe ich auch wieder die Stadtluft, stürze mich auf das kulturelle Angebot, kaufe all die Dinge ein, die ich sechs Monate nicht haben konnte und vermisse alsbald die klare, tropisch warme Luft und das Meer.

Wie sagte Tucholsky schon vor mehr als 100 Jahren?
"Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit(...)"

Donnerstag, 26. März 2009

Outing


Man darf seit Montag davon ausgehen, dass der honduranische Präsident gern noch ein bisschen länger im Amt bleiben möchte. Vielleicht als Präsident auf Lebenszeit? Blöd ist nur, das die honduranische Verfassung dem Präsidenten eigentlich nur eine Amtszeit erlaubt. Die dauert vier Jahre und eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Seit Monaten gab es Gerüchte, das der derzeitige Amtsinhaber Manuel Zelaya so viel Gefallen an der Macht gefunden hatte, dass er gern länger regieren möchte.

Nun hat er angekündigt, im Rahmen der im November anstehenden Präsidentschaftswahl ein Referendum zu der Frage, ob eine verfasssungsgebende Versammlung einberufen werden solle, durchführen möchte -mit dem Ziel, eine neue Verfassung zu beschließen. Da er durch und durch Demokrat sei, solle darüber auch das Volk entscheiden. Im Juni werde das Volk gefragt werden, ob es mit einem derartigen Referendum einverstanden ist. Noch ist nicht klar, wie die neue Verfassung aussehen soll.
Parallelen zu Venezuela sind offenkundig. Und vor wenigen Wochen hat Herr Zelaya bei seinem Kubabesuch dem Fidel gegenüber bedauert, dass er nur 4 Jahre lang Präsident sein dürfe.

Man darf berechtige Zweifel daran haben, das die Honduraner mit wehenden Fahnen zu einer Volksbefragung oder einem Referendum laufen. Anders als in Venezuela sind die Wähler hierzulande an politischer Willensbeteiligung nicht übermäßig interessiert. Die Wahlbeteiligung lag vor knapp vier Jahren bei nur 37 % der registrierten Wähler. Um ein Referendum zustande zu bringen, müssten 51 % zur Wahlurne laufen. Man könnte sich angsichts dessen jetzt beruhigt zurücklehnen und all seine Hoffnung in das wahlmüde Volk legen - wären da nicht noch andere Möglichkeiten, zu einer Mehrheit für die Einbringung eines Referendums zu gelangen. Zum Beispiel mit unlauteren Methoden wie Stimmenkauf oder anderen betrügerischen Aktionen. Erst im vergangenen Oktober hat Herr Zelaya in einem Interview unverblümt und offen zugegeben, die Wahl zum Präsidenten durch Wahlbetrug gewonnen zu haben. Er rechtfertigte sich mit dem Argument, die vergangenen Wahlen seien stets unsauber gewesen, das sei halt so (nachzulesen in http://proceso.hn/2008/10/03/Política/Presidente Zelaya.admite/8750.html). Man darf Grund zu der Annahme haben, dass auch die für das Referendum erforderliche Mindestbeteiligung erreicht werden kann.
Der Sommer in Honduras wird nicht nur klimatisch heiß werden.




Donnerstag, 12. März 2009

Cocaine

Geographisch liegt Guanaja genau zwischen Kolumbien und den USA. Das wissen auch die Drogenhändler und sie wissen es auch zu nutzen. Einer der zahlreichen Transportwege des weißen Goldes führt direkt über die Insel. Und das geht so: ein kleines Flugzeug startet in Kolumbien oder auch gern in Venezuela und fliegt direkt nach Guanaja. Tagsüber kann so eine Maschine natürlich nicht landen, das wäre zu auffällig. Also passiert die Geschichte in der Dunkelheit der Nacht. Der Flughafen ist nicht für Nachtflugverkehr geeignet, es gibt keinerlei Beleuchtung. Es gibt aber Helfer, die die Landepiste beleuchten - mit Fackeln oder Lichterketten. Das Flugzeug landet und dann geht alles ganz schnell. Die Fracht wird aus- und in schnelle offene Boote umgeladen. Diese Boote sind mit zwei, manchmal auch drei PS-starken Außenbordmotoren ausgestattet. Nach dem Auftanken des Flugzeugs verschwindet dieses wieder in die dunkle Nacht. Die Boote starten in Richtung Yucatan/Mexiko. Von dort aus geht es dann weiter in Richtung Norden in die USA. Die Bevölkerung hört den Flieger natürlich, und jedermann weiß auch, was da vor sich geht. Aber jeder schweigt. Auch die Polizei.

Vor einiger Zeit nahmen die nächtlichen Landungen wohl überhand, da schlug das honduranische Militär dann mal zu - ich glaube, mit Hilfe der amerikanischen Drogenpolizei. Eine Maschine wurde gestürmt, es gab eine wilde Schießerei und man stellte einige Tonnen Kokain sicher. Pilot und Copilot, so stand es in der Presse, seien entkommen. Die kleine Cessna stand danach einige Wochen auf dem Flughafen, von schwerbewaffneten Soldaten bewacht. Eines der vielen Einschußlöcher befand sich im Seitenfenster des Cockpits, in Kopfhöhe des Piloten. Die Nachricht von der Flucht der Piloten durfte man danach wohl anzweifeln.
Nach dem Vorfall wurde es ruhig um Guanaja. Man hörte Gerüchte, dass die Nachbarinseln Roatan und Utíla angeflogen würden.
Nach ein paar Monaten konnte man aber wieder nächtliche Fluggeräusche über dem Inselhimmel vernehmen.